„Woran ich glaube ist die Standhaltung ohne Beschwerden und Forderungen”

9 April 2020

Wir, diejenigen, die mit dem Coronavirus bestätigt nicht infiziert sind, können uns nur vorstellen, wie das Leben im Coronavirus Versorgungszentrum in Pécs aussehen mag, wo die Ärzte und Pfleger täglich 10-12 Stunden ihren Dienst leisten. Ihren heroischen Kampf sehen und erfahren lassen ist unmöglich, aber zwischen den Zeilen kann man doch fühlen lassen, was für eine seelische Kraft und Belastbarkeit dazu erforderlich ist. Dr. Zoltán Péterfi, ordentlicher Professor und Lehrstuhlleiter der I. Klinik für Innere Medizin des Klinischen Zentrums, stand bereits vor der Aufstellung des Zentrums an der Führung der Lage, wo es noch nur Krankenzimmer für die Patienten am Standort in der Rákóczi Straße abgesondert worden sind und jetzt leitet er als fachzuständiger Infektiologe die Arbeit. Mit seiner Anwesenheit und Standhaltung zeigt er seinen Mitarbeitern ein Beispiel, die von ihm, von einander und von der Zusammenhaltung die meisten Kraft nehmen.

 

Verfasst von Rita Schweier (das Interview stammt vom 06. April 2020)

 

-Darüber haben wir schon viel gehört, welche Symptome das Virus verursacht, jedoch wissen wir weniger darüber, welchen Weg die Patienten gehen sollen, wenn sie zum Gebäude in der Rákóczi Straße ankommen.

-Die Patienten, die eine Atemweginfektion und Fieber haben, also bei denen der Verdacht auf Coronavirusinfektion besteht, kommen zum am Rákóczi Straße abgestellten Untersuchungs-LKW. Hier werden sie laut einer Kontrollenliste voruntersucht, wobei wir uns entscheiden können, ob laut Symptomen der Verdacht auf die Infektion wirklich besteht oder nicht. Wenn sich der Verdacht bestätigt, dann stellt sich die Frage, ob sie zu Hause unter epidemiologischer Beobachtung bleiben können. Wir verwenden das Wort Quarantäne nur ungern, weil sie von einem Amt oder Behörde verordnet wird. Wenn der Patient zu Hause isoliert werden kann, dann kann er nach Probennahme nach Hause gehen, wenn nicht, dann wird er ins Zentrum aufgenommen. Wenn er zu Fuß oder mit eigenem Auto nicht fahren kann, und er mit Krankenwagen zu uns geliefert wird, dann wird die LKW-Untersuchung entfallen, und er geriet sofort zur Triage der Notfallabteilung des Zentrums, wo er laut bereits erwähnten Kontrollenliste abgefragt und untersucht wird. Danach wird er zur Station oder zur Notfallambulanz geliefert.  

-Lass uns folgendes Spiel spielen: Sie sind mein Fremdenführer im Zentrum, wieviele Räume gibt es und was geschieht in denen?

-Die Struktur des Coronavirus Versorgungszentrums (CVZ) ist folgende: Notfallversorgungsstelle, infektiologische Station, und Abteilung für Intensivtherapie. Hier würde ich bemerken, dass der Ausbau der CVZs und des Schleusensystems, die Bestimmung der verschiedenen Patientenwege und die Aufstellung der einzelnen Regelungen eine echte Teamarbeit und das Resultat der effektiven Unterstützung des Klinischen Zentrums und der Universität Pécs waren. Im Erdgeschoss des „T“ Gebäudes funktioniert die Notfallversorgungsstelle mit zwei Untersuchungszimmern. Sie hat ein kleines Vorzimmer, wo jene Patienten warten, die vom Untersuchungs-LKW hier geschickt worden sind, beziehungsweise auch diejenige, die mit dem Krankenwagen eingeliefert worden sind. Von hier kommen sie auf die Station, die in vier Ebenen eingerichtet worden sind, und im 5. Stockwerk des „C“ Gebäudes befindet sich die Intensivstation. Die letztere ist an der Stelle der Intensivstation des alten Komitatskrankenhauses eingerichtet worden. An der Station können je Ebene 25 Krankenbetten eingestellt werden, im 4. Stock nochmals 14, also insgesamt können 93 Patienten untergebracht werden. Die ersten drei Ebenen funktionieren als gewöhnliche innere medizinische – infektiologische Abteilungen, im 4. Stock können wir die Patienten monitorisieren, diese ist die subintensive Versorgungsstelle. Falls es zur Zustandsverschlechterung kommen sollte, können sie mit Hilfe der Kollegen der Intensivstation auf die Abteilung für Intensivtherapie gelegt werden, wo es 10 Betten zur Verfügung stehen. Hier liegen die Coronavirus Patienten mit schwerem Zustand, bzw. auch diejenigen, die nur den Verdacht auf Coronavirusinfektion haben, aber künstliche Beatmung brauchen. Falls es sich bei der letzteren Gruppe bestätigt, dass sie nicht infiziert sind, werden sie zur sogenannten „sauberen“ Intensivstation geliefert. Der fachliche intensivtherapische Hintergrund wird von dem Institut für Anästhesiologie und Intensivtherapie gesichert, die dortigen Fachärzte und Assistenzärzte leisten auch hier Dienst. An der infektiösen Abteilung arbeiten Freiwillige, bzw. die von den anderen Kliniken und Instituten delegierten Ärzten und Fachkräfte. Die verschiedenen Wege der Patienten und des Personals kreuzen sich nicht. Wo die infizierten oder potentiell infizierten Patienten geliefert werden, lauft das Gesundheitspersonal nicht, bzw. es werden dort auch keine Lebensmittel, Medikamente oder saubere Wäsche geliefert. Der infizierte und der saubere Bereich trennen sich komplett voneinander. An der Station gibt es ein Vorzimmer – das ist die gelbe Zone – hier befindet sich die Theke der Pflegekräfte, bzw. das Zimmer der Ärzte und der Pflegekräfte. Im ersten Stock haben wir zwei Ärztezimmer, wo sich die Ärzte im Nachdienst ausruhen können. Von hier kommen wir durch eine Schleusentür in den Versorgungsbereich. Der Patient verbringt nur wenige Sekunden in der gelben Zone, bis er in die sogenannte rote Zone gebracht wird, die hinter der Schleusentür ist. Die Patientenzimmer öffnen sich auf diesen Flur und die Patienten können diesen Bereich nicht verlassen. Die Patientenzimmer selbst haben wir heiße Zonen genannt, in denen befinden sich diejenigen Patienten, die nur den Verdacht haben, bzw. auch diejenigen, die bestätigt infiziert sind. Die Pfleger arbeiten in 3-4 stündigen Wechselschichten in der roten Zone. Die Mitarbeiter tragen hinter der Schleusentür vollständigen Schutzkleidung: sie tragen Overall, Brille, Maske und Handschuhe. Hier werden die Patienten untersucht, behandelt und hier werden sie mit Lebensmitteln und Medikamenten versorgt. Wenn die Probe des Patienten negativ wird, wird laut Verfahrensordnung nach 48 Stunden eine neue Probe entnommen. Die neue Verfahrensordnung erlaubt heute schon, dass die Patienten mit einem negativen Resultat nach Hause entlassen werden, bzw. mit anderen Symptomen können sie zur entsprechenden fachspezifischen Station weitergeleitet werden. Die erneute Probennahme nach 48 Stunden wird bei den Patienten ausgeführt, bei denen der Verdacht auf Coronavirusinfektion klinisch nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann. Die positiven Coronavirus Patienten, die in ihrem Heim nicht isoliert werden können, bleiben bei uns solange, bis zu ihrer Heilung nötigen drei negativen Tests vorgezeigt werden können.

-Eine praktische Frage: was soll der Patient zusammenstellen, was kann er ins Zentrum mitnehmen?

-Er kann seine persönlichen Sachen mitnehmen, die er während der Behandlung brauchen kann: Säuberungsmittel, Nachthemd, Wechselkleidung, Bücher, Handy, Laptop. Bei der Entlassung kann er diese in eine doppelten Plastiksackpackung mitnehmen und die für 14 Tage in Quarantäne stellen. Das Handy kann desinfiziert werden.

-Am 6. April haben wir Kenntnisse im Komitat Baranya über 23 Coronavirus Patienten. Kann es veröffentlicht werden, wieviele Patienten im Moment an der Station liegen?

-Nur ein Bruchteil von denen, die meisten sind zu Hause mit leichten Symptomen in der Quarantäne. Es ist eine erfreuliche Nachricht, dass wir heute einen geheilten Patienten nach Hause lassen können. Die Patientenzahl der verdächtigen Fälle ist fluktuierend. Es gibt Tage, wo wir viele Patienten aufnehmen. Glücklicherweise mussten wir bisher nur wenige dauerhaft isolieren, also ist die Nutzung der Betten nicht maximal.

-Wie viele Fachleute arbeiten im Zentrum im Moment?

- In der Notfallstation arbeiten 12 Ärzte, in der Infektionsabteilung 46 Fachärzte und Assistentsärzte, und an der Intensivstation 22 Ärzte. Da man in der Schutzkleidung nicht länger als 4 Stunden arbeiten darf, müssen wir in den 8 stündigen Schichten für Wechsel sorgen. Die psychische Belastung ist auch höher, als an einer traditionellen inneren medizinischen Abteilung, einerseits wegen der Angst vor der Infektion, andererseits wegen der Angst ob wir die Schutzkleidung entsprechend tragen und verwenden. Es beansprucht maximale Konzentration, dass man nicht einmal zufällig einen Fehler begeht. Darüber hinaus treffen wir uns auch mit aggressiven Patienten: mit alten Menschen, die wegen des Fiebers schwer zu behandeln sind, mit früheren Drogenabhängigen, oder mit solchen, die Einschränkung schwer ertragen.

Jeweils Ebene sind fünf Fachkräfte anwesend, also für 25 Betten fünf Personen. Unter denen gibt es einen Leiter, der an der Theke die externe und interne Kommunikation führt, die anderen leisten ihre Arbeit in der roten Zone wechselnd. Nach dem Wechsel ruhen sich in der gelben Zone aus, bzw. sie bereiten die nötigen Sachen für die in der roten Zone arbeitenden Kollegen vor. An jeder Ebenen arbeiten zwei Ärzte, ein Facharzt und ein Assistentsarzt leisten 24 stündigen Dienst. An der subintensiven Station sind – wegen der größeren Anspruchnahme – drei Ärzte anwesend: ein Internist und ein Assistentsarzt im 24 stündigen Dienst und ein internistischer Assistentsarzt im 12 stündigen Dienst. Als Infektiologen sorgen wir drei für die Coronavirus Patienten, wir bewegen uns in den verschiedenen Ebenen und leiten die Versorgung. Seit Öffnung des Zentrums sichern wir in täglich 10 Stunden den fachlichen Hintergrund, dann halten wir Bereitschaft im Wechsel und wir beantworten in den ganzen 24 Stunden die Fragen, die in Bezug auf das Coronavirus auftauchen. Darüber hinaus muss ich die nach Außen gehenden Fragen und Verfügungen koordinieren und jeden Abend muss ich Berichte anfertigen, diese mache im Allgemeinen zwischen 19.00 und 21.00 Uhr.

-Dieser ist also ein kontinuierlicher Bereitschaftszustand.

-Ja, locker lassen können wir höchstens für ein paar Stunden.  

-Eine zu lösende Aufgabe ist der Nachwuchs der Fachleute und die Erweiterung der Betten, die Lage in Europa beobachtend und wissend – anhand der Aussage der Regierung am 4. April - dass jeder 8. Infizierte im Gesundheitswesen arbeitet.

-Wie planen ständig im Voraus. Wir beobachten, wann in die Explosion in der Patientenzahl in Ungarn so groß wird, wie in fast jedem Land der Welt. In der Vorbereitung aber auch schon im Einsatzzustand sind eine 40 Betten und eine 63 Betten Versorgungsstelle, die Vorbereitung des Personals und weitere Bewerbungen sind parallel dazu auch im Gange. Ärzte, Pfleger und Freiwillige warten darauf, in Dienst zu treten. Ich sehe den ärztlichen und pflegerischen Hintergrund in der Zukunft gesichert, nur wir Infektiologen sind zu wenig. Wir haben eine einzige Kollegin, die aus dauerhafter Krankschreibung zurückgekehrt ist und gerade heute ihre Arbeit wieder aufnimmt, durch sie werden wir also zu viert. Wir haben solche Infektiologen, die keine Angestellten der Universität sind. Ein von denen hat Konsilien und die Ausbildung neben der Rente übernommen, ein anderer beauftragter Kollege arbeitet an der Abteilung für Infektiologie neben seiner Bildungstätigkeiten.

-Es ist jedoch erfreulich, dass es Menschen gibt, auf die man zählen kann.  

-Ja, das stimmt und wir sind dafür dankbar, besonders den Kliniken, von denen viele Ärzte, Fachleute und Assistentsärzte zur Hilfe gekommen sind. Ich möchte keine von denen hervorheben, weil jede Klinik, die uns Ärzte und Fachleute sichergestellt hat, es verdient, ihnen zu danken. Wir haben uns oft unterhalten und wir hoffen, dass es im Komitat nicht so viele Infizierte geben wird, wie in New York oder in Italien und dadurch wird unser Gesundheitssystem nicht lahmgelegt.

-Haben Sie Zeit dafür, mit anderen Infektiologen im Land oder in Europa den Kontakt zu halten und mit ihnen über die wichtigsten fachlichen Fragen zu konsultieren?

-Zeit haben wir sehr wenig dafür aber manchmal teilen wir Informationen untereinander aus. Mit den Virologen, die sich im internationalen Netzwerk gegenseitig und uns dann so auch stets informieren, und dem Hauptpharmazeuten, der beim Erwerb der Medikamente eine große Hilfe bedeutet, pflegen wir sehr guten Kontakt. Neben ihnen bekommen wir auch Informationen von außerhalb des Berufs.

-Wir wissen, dass bisher kein eindeutig wirksames Medikament gegen diese Infektion gibt. Trotz allem, welche Behandlung können die Schwerkranken bekommen?

-In Ungarn ist Chloroquine und Hydroxychloroquine für die schwererkrankten und Intensivtherapie brauchenden Patienten, die anderen unter Tests stehenden Medikamenten – wir Remdevisir gegen Ebola – können wir leider nicht besorgen. Wir haben für einen unserer Patienten um Genehmigung dieses gebeten, die wir von den ungarischen Behörden auch bekommen haben, aber die Firma konnte das Medikament uns nicht sicherstellen. Eine Ausnahme von dieser bedeuten die Schwangeren und die Patienten unter 18. Die älteren Patienten also, die einem größeren Risiko in die Augen sehen müssen, können dieses Medikament also nicht bekommen. Die weiteren Therapiemöglichkeiten werden gerade untersucht, auch die Möglichkeit, dass die Schwerkranken das Serum der Geheilten bekommen dürfen. Zahlreiche Fachliteratur handelt sich um die Wirksamkeit dieses, darüber hinaus gibt es Vereinbarungen über Immunglobulin Produkte, die wir früher den an schweren septischen Immunmangel leidenden Patienten gegeben haben.

-Als die Rede über die fachliche Koordination dieses Zentrums war, mussten Sie sich davon überzeugen, dass Sie eine gute Entscheidung treffen, wenn Sie sie übernehmen?

-Nein. Meine Antwort ist so eindeutig, weil wir die Versorgung der Coronavirus Patienten bereits an der Abteilung für Infektiologie angefangen haben und gleichzeitig mit den ersten Mengeninfektionen in China haben wir einige Patientenzimmer für diesen Zweck abgesondert. Später hat sich die ganze Abteilung mit den verdächtigen oder positiven Patienten beschäftigt. Ich habe die ganze Angelegenheit als mein Eigen gesehen, genau wie meine Infektiologen Kollegen. Wir haben nicht eine Minute lang daran gedacht, dass jemand andere es machen sollte. Das bedeutet nicht, dass wir keine Angst davor hatten oder haben, dass wir die Krankheit auch bekommen könnten und ob wir unsere Arbeit richtig tun, oder wir manchmal Fehler machen. Diese Dilemmas beschäftigen uns ständig, aber wir sind uns sicher, dass wir bis Ende der Pandemie neben den Patienten aushalten werden.

-Haben Sie als Leiter oder als Menschen ein paar Sätze parat, die Sie Ihren Kollegen sagen kann, um denen in dieser schwierigen Situation Kraft zu geben?

-An den Besprechungen jeden Morgen fassen wir mit meinen Kollegen immer zusammen, was wir richtig gemacht haben und wir motivieren unsere neuen Mitarbeiter, dass sie sich auch an die Arbeit mit uns gewöhnen werden, ich versuche ihre Angst vor der Krankheit verschwinden zu lassen. Ich hebe hervor, dass wir hier in größerer Sicherheit sind, als draußen in einem Kaufhaus oder anderswo, da wir hier Schutzmittel haben, die uns, wenn wir sie richtig benutzen, beschützen werden. Ich denke diese Sätze sind für sie überzeigend. Woran ich glaube ist die Standhaltung ohne Beschwerden und Förderungen, die auch andere beeinflusst. Wenn die Kollegen es sehen, dass wir alles zur Seite stellend für die Patienten tun, dann schließen sie sich an uns. Dies geschieht auch so. Die Zahl der freiwilligen Ärzte und Fachkräfte, die uns angeschlossen haben, ist relativ groß. Wir haben so zusammengearbeitet, dass wir uns davor nie gesehen oder gekannt hatten, wir hatten die Schwächen und Stärken der anderen nicht gekannt. Ich bin stolz darauf, dass wir die letzten drei Wochen mit sehr weniger Konflikt geleistet haben, und ich sehe, dass jeder das Bedürfnis nach Zusammendenken und Helfen hat.