„Das, was dort verwirklicht werden kann, ist auch hier realisierbar” – Forschungspraktikum an der Mayo Klinik

26 Oktober 2023

Evelin Szabó und Inez Bosnyák, Studierende des Praktischen Jahres der Medizinischen Fakultät der Universität Pécs haben ein einmonatiges Forschungspraktikum im Sommer in den USA an einer der weltweit führenden medizinischen Einrichtungen der Welt, an der Mayo-Klinik in Rochester verbracht. Professorin Dr. Dóra Reglődi, Direktorin des Instituts für Anatomie und Prodekan für Wissenschaft, hat bei der Schaffung der Gelegenheit und bei der Auswahl der Studierenden ebenfalls eine wichtige Rolle gespielt. Wir unterhielten uns über die Hintergründe und über die Entstehung der Kooperation, über die Erfahrungen der beiden Studierenden, über die Vorteile und Gewinne des Forschungspraktikums bzw. über die Möglichkeiten des Ausbaus weiterer Kontakten.

 

von Rita Schweier

 

"2019 besuchten wir die USA mit einer vierköpfigen Gruppe unter der Leitung unseres Dekans. Unser Ziel war, Kooperationen mit den leitenden Universitäten der Welt auszubauen. An der Mayo-Klinik hatten wir bereits ungarische Kontakte mit Dr. Éva Morava und Professor Dr. Tamás Kozicz. Mit ihnen pflegten wir auch früher gute Kontakte, aber wir hatten noch keine beruflichen bilaterale Vereinbarungen mit ihnen. Den ersten Fortschritt haben wir im Bereich der Ausbildung gemacht. Mit meinem Kollegen Dr. Balázs Gaszner haben wir je eine Woche lang an der Mayo Anatomie unterrichtet. Die Coronavirus-Epidemie brachte diesen Prozess etwas ins Stocken, aber nach der Pandemie haben wir Dr. Éva Morava zur Professorin, Dr, Tamás Kozicz zum Gastprofessor an unserem Institut für Anatomie ernannt. Der nächste Schritt war, Studierende in den USA zu schicken, dem ging ein langer administrativer Prozess voraus." – Erklärte Dr. Dóra Reglődi.

Dr. Éva Morava ist Genetikerin und Klinikerin und hat auch einen angesehenen Forschungshintergrund, Dr, Tamás Kozicz arbeitet hauptsächlich als Forscher. Beide leiten ein Labor. Das war die Grundlage dafür, dass die zwei Studierende empfangen werden konnten. Die zwei Studierende wurden aus den sechs besten MD-PhD-Studierenden des fünften Studienjahres ausgewählt, die sogar eine eigene wissenschaftliche Publikation hatten. Dr. Dóra Reglődi fügte noch hinzu: Ein weiteres Ziel war das Wissen, das die Studierende dort erwerben, für eine Zeit lang – mindestens für die Dauer ihrer Promotion – an der Medizinischen Fakultät zu behalten.

Evelin Szabó kam in die Forschungsgruppe von Dr. Tamás Kozicz, Ivett Bosnyák in die von Dr. Éva Morava. Die Mayo-Klinik nahm sie als "research trainee" auf. Ivett konnte aufgrund von Visaproblemen nur mit einer Woche Verspätung in Rochester eintreffen, was ihr Forschungspraktikum jedoch nicht beeinträchtigte.

"Zuerst konnte ich gar nicht glauben, dass ich ausgewählt worden bin. Es ist mir erst dann bewusst geworden, als ich das erste Online-Gespräch mit den ausländischen Professoren hatte. Mein Themenleiter und meine Familie haben es ebenfalls für eine großartige Gelegenheit gehalten, alle waren glücklich darüber." – Erzählte Evelin Szabó gerührt.

Evelin ist seit drei Jahren Studentin im wissenschaftlichen Studentenzirkel in dem Institut für Physiologie. Ihre Themenleiterinnen sind Professor Dr. Dóra Zelena und Dr. Anita Péli-Kovács Außerordentliche Professorin. Sie befassen sich mit präklinischen Modellen psychiatrischer Störungen. Evelin ist an zwei Projekten beteiligt. Das eine untersucht die Rolle von Prolaktin-Releasing-Peptid (Neuropeptid) in einem Ratten-Depressionmodell, das andere die metabolischen Aspekte – Modell der posttraumatischen Belastungsstörungen an Mäusen. Wie sie sagte, haben Dr. Dóra Zelena und Dr. Tamás Kozich bereits in einer früheren Forschungskooperation zusammen gearbeitet und deswegen versuchten sie ein Thema auszusuchen, das man auch in Ungarn nutzen könnte: das war die Untersuchung der mitochondrialen Funktion bei psychiatrischen und genetischen Krankheiten.

Evelin erlernte die an der Mayo angewandten Messungen: die Messung der mitochondrialen Atmungskettenkomplexe und die der Enzymaktivität der Citrat-Synthase bzw. die Verwendung des intrazellulären Sensors SoNar. Die untersuchten Proben waren Bindegewebszellen aus Hautbiopsien von Patienten, sie beschäftigte sich mit deren Zucht in den Zellkulturen. Da sie sich im Institut für Physiologie bisher mit Zellkulturen nicht befasst hat, eröffnete dies ihr neue Perspektiven. Sie erklärte auch, dass die dort erlernte mitochondriale Messtechniken auch in das Forschungsprojekt hier integriert werden können, die Bedingungen dafür sind schon da.

"Die psychiatrischen Störungen sind sehr individuell, wir verstehen oft die genauen Hintergründe und die Pathomechanismen nicht. Deswegen sind die Tierversuche von großer Bedeutung, da wir mit bestimmten Substanzen die Symptome einer bestimmten Krankheit beeinflussen können. Hoffentlich haben wir am Ende der Forschung auch einen klinischen Nutzen von unserer Arbeit. Langfristig können wir vielleicht sogar bis zur Medikamentenentwicklung kommen." – Begründet sie ihre Motivation.

Inez Bosnyák begann im Anatomieinstitut nach ihrem Rigorosum in Anatomie zuerst ihre Tätigkeit als Demonstratorin, später als Mitglied des wissenschaftlichen Studentenzirkels. Seit September vergangenen akademischen Jahres setzt sie ihre Arbeit als MD-PhD-Studentin unter der Aufsicht von Professor Dr. Dóra Reglődi, von außerordentliche Professorin Dr. Alexandra Váczy und von dem Dozenten Dr. Tamás Atlasz fort. Ihr Zentralthema ist die Entwicklung eines ischämischen retinopathischen Mausemodells. Nebenbei untersucht sie auch die möglichen positiven Auswirkungen eines Pflanzenhormons bei Sauerstoffmangel in der Netzhaut bzw. die protektive Rolle von PAC1R bei verschiedenen augenärztlichen und entzündlichen Krankheitsbildern. Die Forschungsgruppe von Dr. Éva Morava, an der sie sich auch angeschlossen hat, untersucht die Pathomechanismen von kardialbezogenen Manifestationen von bestimmten Glykosylierungsstörungen und testet sogar die potenziellen Therapeutika.

Wie sie erläuterte, sind die Proteine normalerweise mit Zuckern beladen, damit sie richtig funktionieren können. Personen mit angeborenen Glykosylierungsstörungen (CDG) können diese Zucker oder Zuckerketten nicht richtig befestigen. Da die Glykosylierung in allen Zellen und Geweben stattfindet, kann ein Kind oder ein Erwachsener mit CDG in vielen verschiedenen Körperteilen Symptome haben, darunter im Gehirn, in den Nerven, in den Muskeln, in der Leber oder im Immunsystem. Die Mitglieder der amerikanischen Forschungsgruppe unterwerfen Zellen aus Hautbiopsien von Patienten verschiedener Messungen. Sie messen die Norm der hochglykosylierten Proteine und führen verschiedene genetische Untersuchungen durch.

Sie war fasziniert davon, dass die Zellen aus Hautbiopsien in Stammzellen zurückprogrammiert wurden und sie dann in schlagende Herzmuskelzellen differenziert worden sind. Bei dieser Art von Krankheit lindert die ergänzende Therapie alle Symptome außer die, die das Herz betreffen. Mit dieser Methoden kann man neue therapeutische Möglichkeiten testen. Inez erlernte zahlreiche Labortechniken, die sie auch in Ungarn anwenden kann. Außerdem hatte sie öfters auch die Gelegenheit, Einblicke in die Versorgung an der Fachambulanz von Patienten mit CDG zu gewinnen.

Über ihre Fallstudien erscheinen auch Erstautor-Artikel, die voraussichtlich Anfang nächsten Jahres veröffentlicht werden.

Inez befasst sich in ihrem Artikel mit einem Mädchen mit ALG1-CDG. Wie sie sagte, litt das Mädchen auch unter Muskelschwäche, Epilepsie bzw. unter Hör- und Sehstörungen. Da die Glykosylierungsphänomene oft mit ophtalmologischen Folgen verbunden sind, hat sie sich – im Zusammenhang mit ihrem ursprünglichen Thema – auch darin vertieft. Nicht zuletzt deshalb, weil dies ein wenig erforschtes Gebiet ist. Die Zellen aus der Hautbiopsie des Kindes wurden auch verschiedenen Labortechniken unterzogen, da die am häufigsten angewandte diagnostische Methode bei ihr die Krankheit nicht nachweisen konnte, obwohl sie höchst ernste Symptome hatte.

Auch Evelin befasste sich mit dem Fall eines Mädchens mit einer seltenen genetischen Krankheit, die eine angeborene Störung der Phosphorylierung hat. Obwohl diese genetische Variante üblicherweise zu einem sehr ernsten Krankheitsbild führt, sind bei ihr die Symptome sowohl bezüglich der Schwerhörigkeit als auch der motorischen Retardierung mild. Den Grund dafür ist noch unbekannt. Sie sagte, dass die Kinder mit dieser Krankheit in ihren ersten Lebensmonaten noch keine signifikanten Entwicklungsauffälligkeiten zeigen. Während aber ihres ersten Lebensjahres kommt es in der Regel zu einer Episode mit niedrigem Blutzucker und Leberversagen, weswegen die Kinder in die Notaufnahme eingeliefert werden. Die Kinder mit schweren Symptomen verlieren bis zu ihrem zweiten Lebensjahr die bis dann erworbene Fähigkeiten und sind für den Rest ihres Lebens auf Pflege angewiesen. 

Beide Studentinnen haben betont, dass die Mayo-Klinik hervorragend ausgestattete Labors hat, aber das, was dort verwirklicht werden kann, ist auch hier realisierbar. Sie berichteten auch darüber, dass das dreistöckige Klinikgebäude wie ein Museum oder ein Einkaufszentrum ist, da am Erdgeschoss zwischen den einzelnen Klinikabschnitten sogar Geschäfte und Cafés sind. In ihrer Freizeit konnten sie Rochester besichtigen und am schönen See spazieren gehen, der nur zehn Minuten von ihrer Unterkunft entfernt war. Des Weiteren haben sie die wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Minneapolis besichtigen können.

"Dr. Éva Morava und Dr. Tamás Kozicz werden unsere Studierende an der Mayo-Klinik weiterhin zu Forschungspraktika empfangen. Ihr Aufenthalt wird auch von der Leitung der Fakultät unterstützt. Es entstand eine Bildungsbeziehung auch mit der Harvard University. Dr. Krisztina Fischer wurde Gastprofessorin an der Medizinischen Fakultät der Universität Pécs, mit ihrer Unterstützung wurden schon mehrere Kurse im Bereich der Bildungsförderung gestartet. Der neue Vorsitzende der Kommission für Internationale Beziehungen, Dr. Gábor Horváth plant ebenfalls eine breite Palette an Programme für Studierende und möchte auf die bisher gesammelten Erfahrungen bauen. Dadurch öffnen sich noch mehr Möglichkeiten für die Studierende" – Fasste Dr. Dóra Reglődi die Pläne für die Zukunft zusammen.

Foto:

Dávid VERÉBI