Auch während der Prüfungszeit ist es wichtig, unser normales Lebensrhythmus beizubehalten

30 November 2023

Es gibt zwar keine lokalen oder nationalen Umfragen darüber, inwieweit der Lebensrhythmus der Medizinstudierenden während der Prüfungszeit umkippt, internationale Untersuchungen gibt es aber darüber. All dies deutet darauf, dass es eine schwierige, anstrengende und stressige Zeit für sie ist, in der sie zu unterschiedlichen Zeiten einschlafen und aufwachen, zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Mahlzeiten zu sich nehmen, sie trinken mehr Kaffee, sie bewegen sich weniger und sie haben sogar weniger soziale Kontakte. Viele von ihen sind davon überzeugt, dass was sie tagsüber nicht schaffen, in der Nacht leichter erledigen können, und dabei verbringen sie ihre Nächte mit Lernen. Die Untersuchungen betonen aber, dass diese Studierende nicht mehr Erfolg an den Prüfungen haben, ganz im Gegenteil!

Im Well-Being-Konzept der Medizinischen Fakultät der Universität Pécs ist das körperliche und mentale Wohlbefinden der Studierenden wichtig. In diesem Sinne unterhielt ich mich mit dem Leiter des Lehrstuhles für Schlafmedizin an der Klinik für Neurologie Dr. Béla Faludi, außerordentlicher Professor und mit Dr. Andrea Horváth-Sarródi, Assistenzprofessorin des Instituts für Präventivmedizin der Medizinischen Fakultät der Universität Pécs, Koordinatorin des YourLife-Programms der Fakultät, Leiterin der Arbeitsgruppe für körperliche Gesundheit im Rahmen des Well-Being-Konzepts. Die beiden Experten verabreichten auch einige Ratschläge für die kommenden Wochen. 

 

von Rita Schweier

 

"Die Prüfungszeit kann mit der Covid-Periode verglichen werden, da im Grunde genommen das gleiche sich abspielt als damals. Die Studierende sind zu Hause, sie lernen, sie isolieren sich und haben kaum zwischenmenschliche Kontakte, wobei sie aus ihrem täglichen Rhythmus gerissen werden. Hier entstehen die meisten Probleme. Aus Untersuchungen aus der Pandemie-Zeit stellt sich heraus, dass sich der Schlafrhythmus der Menschen um eine halbe Stunde verschoben hat, das heißt, dass sie eine halbe Stunde später ins Bett gingen und auch morgens eine halbe Stunde später aufwachten. Ihr Tag wurde dadurch neu strukturiert. Da die persönlichen Interaktionen in diesen Zeiten fehlen, bleibt der Telefonkontakt. Die ständig ankommenden Nachrichten lenken aber die Aufmerksamkeit ab, sie bringen sie vom Lernen weg und zerrütten den geplanten Zeitplan noch mehr. Hinzu kommt noch der Stress, die Frustration der bevorstehenden Prüfungen, was auch darauf zurückgeführt werden kann, dass die Studierende in vielen Fächern geprüft werden und dass sie sich ausschließlich in der Prüfungszeit darauf nicht vorbereiten können. Wer während der Vorlesungszeit nicht lernt, gerät in eine angespannte Situation." – sagte Dr. Béla Faludi.

Der Leiter des Lehrstuhls für Schlafmedizin betonte, dass wir für die Speicherung der erlernten Informationen verschiedene Schlafphasen bzw. die angemessene Schlafdauer und Schlafzeit benötigen.

Sich auslaugen ist kein muss

Laut Dr. Andrea Horváth-Sarródi ist es ein existierendes Problem, dass sich die Studierende der medizinischen Fakultät in Pécs nicht reichlich erholen. An ihren Kursen über die Gesundheitsförderung und an ihren Workshops kommt dieses Thema immer wieder auf die Tagesordnung. Die Studierende hetzen sie sich gegenseitig damit, dass es ein "Muss" ist, sich auszulaugen. Wenn jemand nicht ununterbrochen lernt, ist kein guter Student. Seltsamerweise ist für sie irreal, wenn jemand am Nachmittag vom Buch aufsteht und spazieren geht oder mit den Freunden Fußball spielt, die Lieblingsserien anschaut und dann rechtzeitig ins Bett geht. Wenn in den familiären Mustern die Askese vorkommt, d. h., dass man für den Erfolg leiden muss, dann steigt die Frustration.

"Dass die Universität ohne Unterbrechung geöffnet hat, ist auch ein falsches Signal. Ich denke, dass es dies kein Studentenservice im positiven Sinne ist. Bei Studierenden, die bis spät in der Nacht lernen, kann ein sogenanntes verzögertes Schlafphasensyndrom entstehen. Wenn der Studierende bis 2-3 in der Nacht mit dem Lernen beschäftigt ist, kann nur gegen 9-10 Uhr aufstehen und dies hält sich auch fest, da die Prüfungszeit anderthalb Monate dauert. Laut Untersuchungen kann ein Schlafdefizit von einer ganzen Nacht mit ein-zwei längeren Schlaf aufgeholt werden. Mit einem Schlafdefizit von zwei oder mehreren Tagen müssen sogar fünf Tage vergehen, bis die geistige Leistungsfähigkeit sich normalisiert. Schwieriger ist die Situation bei den Personen, die zusätzlich an einer Schlafstörung leiden, da bei ihnen ein Schlafmangel hinzukommt." – betonte Dr. Béla Faludi.

Schlafapnoe betrifft auch junge Menschen

Er erklärte auch, dass Schlafapnoe 5 Prozent der Population betrifft, darunter auch junge Menschen. Auch das Restless-Legs-Syndrom betrifft 10 Prozent der europäischen Bevölkerung.

"Bei Studierenden mit einem sportlichen Hintergrund ist die Einstellung zum Schlaf und zur Ernährung gesünder. Sie wissen, dass diese die Basis für die guten Leistungen sind. Das Universitätsleben kann als eine ernsthafte geistige Arbeit angesehen werden. Die Entstehung der achtstündigen Arbeitszeit ist auch kein Zufall, es ist wichtig, danach sich auszuruhen, zu erholen. Die Studierenden sollten ihre Aktivität an der Universität auch auf diese Weise betrachten. Zu den Extraleistungen in der Prüfungszeit sind andere Methoden und zu ihrer Verwirklichung eine richtige Selbsterkenntnis erforderlich. Manche Studierende brauchen neun Stunden Schlaf, um sich richtig konzentrieren zu können, anderen reicht auch weniger Schlaf" – formulierte Dr, Andrea Horváth-Sarródi.

Während die Studierende in der Vorlesungszeit zur Universität und auch ins Freie gehen und dabei das natürliche Licht genießen, ihre Kommilitonen treffen, ändert sich das in der Prüfungszeit, "die zirkadiane Amplitude sinkt". Wenn sich die physische und mentale Belastung ändert, hat das einen Einfluss auch auf die Schlafqualität.

Die Anpassung an den normalen Lebensrhythmus ist auch in der Vorlesungszeit wichtig

"Während der Prüfungszeit wäre es auch wichtig, sich an den normalen Lebensrhythmus anzupassen. Die Studierende sollten an das Tageslicht gehen, wo die Lichtintensität hoch ist. Die Bewegung ist auch wichtig und kann sogar ein Spaziergang sein. Das Einschlafen wird durch die körperliche Müdigkeit gefördert, wobei der Slow-Wawe-Schlaf, der Tiefschlaf steigt und wobei die mentale Müdigkeit mit der REM-Phase kompensiert wird und sie wirkt auf die Dauer aus. Es gibt einen Teil in unserem Gehirn, der bestimmt, wann wir wach sein sollen und wann wir schlafen sollen. Bei letzterem spielt die tägliche Aktivität eine große Rolle, weshalb Bewegung und Sport wichtig sind" – erklärte Dr. Béla Faludi.

Die Studierende haben Dr. Andrea Horváth-Sarródi darüber berichtet, dass bei einigen von ihnen bereits während der Vorlesungszeit wegen der Parties und des Lernens in der Nacht der Lebensrhythmus sich verschoben hat und deswegen geistig erschöpft in die Prüfungszeit kamen.

Zuerst werden die geistigen Funktionen geschädigt

"Der Schlaf ist eine physische und geistige Regeneration, die Zeit der Energierückgewinnung, die man sich nicht ersparen kann. Bei irgendeiner Schlafstörung werden zuerst die kognitiven Prozesse, die geistigen Funktionen, die im Frontallappen ablaufen, geschädigt. Es bedarf eines schwerwiegenden primären Schlafstörungshintergrunds und mehrere Jahre oder Jahrzehnte der Persistenz, damit sich als Folge Herz-Kreislauf- oder zerebrovaskuläre Erkrankungen entwickeln, deren Vorzimmer schon in jungen Jahren betreten werden kann." – so Dr. Béla Faludi, wobei er keine genauen Zahlen darüber feststellen mag, wie viele Stunden man schlafen sollte. Er betonte, dass dies nicht verallgemeinert werden kann, da es von der Person abhängt. Der Punkt ist aber, man sollte so viel schlafen, dass man am nächsten Tag sowohl physisch als auch geistig gut funktionieren kann.

Kaffee vor dem halbstündigen Schlaf: die Powernappingtechnik

Laut Dr. Béla Faludi gibt es eine Technik, wenn wir viel lernen möchten und deswegen in der Nacht wach bleiben möchten. Das ist das Powernapping. Das Wesen besteht darin: ein halbstündiger Schlaf am Nachmittag, aber unmittelbar vorher einen Kaffee trinken. Man wacht viel frischer auf, als hätte man nur ein Nickerchen gemacht. Wichtig ist, dass wir wirklich nur 20-30 Minuten schlafen, denn wenn man länger schläft, wacht man müde auf.

"An meinem Gesundheitsförderung-Kurs haben die Studiere die Wahl: entweder erstellen sie eine Präsentation in einem theoretischen Thema, oder sie bringen eine Challenge mit, die z. B. mit dem Schlaf zusammenhängt. Neulich berichtete ein Studierende darüber, dass er genau auf diesem Gebiet seines Lebens eine Änderung vorgenommen hat, da er früher nur 4-5 Stunden schlafen konnte und während der Nacht öfters auch wach geworden ist. Nach etwa 6-7 Wochen erreichte er den Punkt, an dem er jetzt 7,5-8 Stunden schläft und nur noch einmal dabei aufwacht. Hier sind seine Änderungen, die man sogar als Tipps zur Schlafhygiene betrachten könnte: die 4-5 Kaffees hat er auf zwei reduziert und den zweiten trinkt er spätestens gegen 16 Uhr. Er geht überall zu Fuß hin, joggt täglich oder macht Kardiotraining mindestens zwanzig Minuten lang und an den Wochenenden spielt er mit seinen Freunden Fußball. Seine letzte Mahlzeit isst er gegen halb sieben und achtet auch darauf, was er tagsüber isst. Am Abend geht er gegen 23 Uhr schlafen und achtet besonders darauf, dass es im Zimmer dunkel ist." – Sagte Dr. Andrea Horváth-Sarródi.

Zum Einschlafen muss man Zeit geben

Dr. Béla Faludi betonte, dass man zum Einschlafen Zeit braucht. Wir können nicht erwarten, dass, wenn wir vom hellen blauen Licht – egal ob es eine Lampe oder der Computer ist – ins dunkle Zimmer gehen und uns ins Bett stürzen, sofort auch einschlafen. Ein allmählicher Übergang ist erforderlich. Daher wird von ihm empfohlen, bei einer geringeren Lichtintensität als üblich eine Stunde oder mehr zu lesen. 

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