Bei der Andeutung des Begriffes „überauflösend” denkt man meistens an die modernsten Fernsehkanäle, die ein ultrascharfes Bild versprechen. In der Mikroskopie hat dies aber eine vollkommen andere Bedeutung. Hier deutet es auf eine Technologie, die die Auflösungsgrenze des Lichtes „austrickst”, wodurch die Untersuchung der zellinternen physiologischen Prozesse auf Zell- oder sogar auf Molekülebene ermöglicht werden können. Wir besuchten das Nano-Bio-Imaging Zentrum des Physiologie-Instituts der Medizinischen Fakultät der Universität Pécs, wo die bisher unbekannten Kommunikationsformen zwischen den Zellen und deren Relevanz, mit der Hilfe einer Nobel-Preis-tragender Technologie untersucht werden.
verfasst von Miklós Stemler
Zum ersten Blick scheint das Nano-Bio-Imaging Zentrum des Physiologie-Institutes der Medizinischen Fakultät der Universität Pécs nichts Besonderes zu sein, obwohl dessen Zugang durch eine Schleuse deutet schon darauf, dass wir nicht „irgendein” Labor betreten. Im Raum mit trübem Licht befinden sich komische Geräte, daneben Arbeitsstationen mit riesigen Bildschirmen, die alle scheinbar recht farbige abstrakte Gemälde schildern. Ich brauche manche Minuten biss es mir bewusst wird, dass ich gerade an Zellen starre, die unfassbar detailliert dargestellt werden, und dass meine geringe Staub-Allergie plötzlich verrinnt.
Ich bekomme von dem technischen Inspektor des Zentrums Ferenc Wilhelm mitgeteilt, dass das Verschwinden meiner Symptome dem Schleusen Eingang und dem inneren Lüftungssystem zu verdanken sind, die die Luft des Labors praktisch staubfrei halten.
Die Apparaturen, die sich hier befinden, sind nämlich empfindliche Geräte, die sich wegen dem Staub oder der Temperaturschwankung sich leicht verstellen, und die Messungen dadurch sogar unmöglich machen können. Um zu erfahren, um welche bestimmte Geräte es hier geht und warum sie pro Stück sogar mehrere hundert Millionen Forint Wert sind, bekomme ich ein Grundkurs in Mikroskopie von einem der Forscher des Zentrums András Lukács, ordentlicher Professor des Instituts für Biophysik.
„Für die standard lichtmikroskopische Technologie bedeutet die Wellenlänge des Lichtes eine unpassierbare Grenze, da dies den höchsten Grad der Auflösung bestimmt; das heißt, inwieweit wir fähig sind, zwei getrennte Punkte von einander zu unterscheiden. Diese Auflösungsgrenze kann man mit einem Lichtmikroskop, das auf einem anderen Prinzip funktioniert, überschreiten. Diese Technik kann aber in den physiologischen Forschungen nur begrenzt angewendet werden, da wir mit gefrorenen Proben/Muster im Vakuum arbeiten müssen und dadurch nicht die Möglichkeit haben, die Prozesse des Lebens zu untersuchen. Für eine lange Zeit hat dies bei uns gehemmt, die Zellinterne Prozesse beobachten zu können. Diese Grenze hat die sogenannte überauflösende Lichtmikroskopie oder Nanoskopie aufgehoben und dadurch die Grenzen der Physik mit verschiedenen Tricks umgegangen.” erklärt mir detailliert András Lukács.
Auf der Basis der Entdeckung, die 2014 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, erschienen verschiedene weitere überauflösende Technologien. Eine davon ist das STED Mikroskop. Dabei werden zwei Laserstrahlen verwendet, um die einzelnen Punkte von einander unterscheiden zu können. Während der eine die Moleküle erregt, die durch Fluoreszenz Licht ausstrahlen, leitet der andere sie in den Grundsatz zurück. Das Ergebnis ist spektakulär: auf der einen Seite des Monitors sind die „Flecken” zu sehen, die man mit der herkömlichen Technologie sehen kann; auf der anderen Seite sind die Strukturen deutlich zu sehen. Wie ich es mitgeteilt bekomme, betrachte ich gerade die Struktur einer Zellenoberfläche.
Auf diesem Instrument untersuchen zwei Forscher des Physiologie-Instituts: Dávid Ernszt und Soma Godó das Zellmembran. Mit einem herkömmlichen Lichtmikroskop könnte man nur eine homogene Fläche sehen, aber mit der Überauflösung entfaltet sich eine komplett neue Welt mit Objekten mit verschiedenen Formen und Strukturen. Wie das die Forscher erklären wissen wir durch die neuen mikroskopischen Technologien, dass das Zellmembran keine homogene Fläche aufweist, sondern ihre Regionen spielen eine signifikante Rolle sogar bei den Prozessen der Signalübertragung, deren Gesetzmäßigkeiten gerade untersucht werden. All dies kann eine erhebliche Rolle bei der Gehirnuntersuchung spielen und laut einigen Theorien können die Veränderungen dieser Regionen eine wesentliche Bedeutung bei der Ausbildung und im Ablauf der neurodegenerativen Krankheiten spielen.
Das N-STORM Mikroskop funktioniert auf einem anderen Prinzip. Es erregt die Moleküle der Proben mit arbiträren Laserimpulsen mit einer kleinen Energie und baut sie zu einem Bild zusammen. Daneben werden auf einem mit einem SIM-Mikroskop verbundenen Bildschirm besondere Fäden, genauer gesagt Nanoröhre erkennbar, die zwischen den Zellen einen Kontakt herstellen. Die Neuartigkeit der Forschung bzw. der Erfindung wird auch dadurch gekennzeichnet, dass die Röhre, die die bekannte Kommunikation zwischen den Zellen neu schreiben, noch nicht in den Lehrstoff eingebettet sind.
Wie es mir meine Begleiter erklären, haben alle überauflösende Lösungen ihre Vor- und Nachteile. STED erweist eine bessere Auflösung als SIM, aber mit SIM kann man auch mit Proben arbeiten, die auf einer herkömmlichen Weise präpariert wurden. Dies hat eine enorme praktische Bedeutung. N-STORM macht ein hervorragendes Bild, aber wegen der arbiträren Bilddarstellung ist die Bereitstellung eines Bildes recht zeitaufwendig, usw. Die Stärke des Mikroskopzentrums in Pécs liegt gerade in der Kombination und in der Vielfältigkeit der Anwendung dieser Technologien.
Das Nanomenterspektrum
Wobei die Grenze der Auflösung der herkömmlichen Lichtmikroskope bei dem Mikrometer (das Tausendstel von Millimeter) liegt, führt uns die Überauflösung in die Welt der Nanometer (das Tausendstel von Mikrometer). Mit dieser Auflösung sind wir imstande in die Zellen und in die Prozesse zwischen den Zellen Einblick zu gewinnen. Dies führte zur Erfindung der Nanoröhre. Die Auswirkungen dieser Erfindung sind noch unabsehbar.
Da der größte Teil der Nanoröhre nicht die Weitenlänge von 200 Nanometer erreichen, haben die Forscher früher gar nicht gewusst, dass sie existieren, da sie mit den herkömmlichen Lichtmikroskopen nicht zu sehen sind und in den Proben, die für die Elektronenmikroskopien präpariert wurden, sind diese lebendigen Kontakte zwischen den Zellen nicht zu erkennen – erklärt die Forscherin Edina Szabó-Meleg.
Das Existieren der Nanoröhre hat all die Informationen neu geschrieben, die wir über die Prozesse zwischen den Zellen wissen. Die Entdeckung ist auch von der Sicht der Verbreitung der Krankheiten auf Zellebene von enormer Bedeutung, da die Keime die Zellen dadurch direkt – wobei sie das Immunsystem umgehen – anstecken können. Im Rahmen einer Ausschreibung erforschen sie zusammen mit einer lokalen biotechnologischen Firma die Verbreitung dieser zwischen den Covid19 Zellen. Das primäre Ziel der Röhre ist natürlich nicht für die Viren einen Umweg zu bereiten. Die einzelnen Zellen überreichen einander dadurch Mitochondrien, d. h. energieproduzierende Zellpartikel.
Wie die meisten Entdeckungen stellt auch diese mindestens so viele Fragen, auf wie viele Fragen sie eine Antwort gibt. In Pécs werden Zebrafisch-Embryonen untersucht, um Antwort auf die grundlegenden Fragen zu bekommen, zwischen welche Zellen und unter welchen Bedingungen sie entstehen und welche Stoffe durch sie übertragen werden können. Ein Ergebnis ist schon herausgestochen, nämlich dass zwischen den „unglücklichen” Zellen (d. h. die mit verschiedenen Mitteln und unter verschiedenen Bedingungen gestresste Zellen) sich mehr solche Bindungen bilden, wodurch die Zellen einander Hilfe bereiten können und sogar bei der embryonalen Entwicklung irgendeine Rolle spielen.
Eine potenzielle Anwendung dieser Technologie könnte sein, dass der Zellen, die durch eine Erkrankung „unglücklich” geworden sind gezielt solche Stoffe geliefert werden, die – ohne die weiteren Bestandteile zu schädigen – ihnen helfen können. Diese praktischen Anwendungen sind aber noch ziemlich weit entfernt.
Die Forscher in Pécs haben die Entwicklung der Nanoröhre auf Zellen untersucht, die während einer Katarakt-OP einem Trauma ausgesetzt worden sind. Bei dem herkömmlichen Prozess, wo der Starr „abgerissen” wird, sind solche Röhre in großen Mengen erschienen, wobei bei der OP wo der Laser-Schnitt angewendet wurde, hat man keine solche Röhre beobachten können. Es ist dabei recht kurios, dass die Patienten, die auf herkömmlicher Weise operiert worden sind und auf Zellebene ein größeres Trauma erleben, zumeist weniger Komplikationen haben und schneller genesen.
Wobei die neuen Erkenntnisse zu neuen Fragen leiten, ist es auch kein Kinderspiel, die Bilder unter der Mikroskope zu kontrollieren. Jede winzige Veränderung des Umfelds oder eine falsche Einstellung können zu Fehler führen, die nur sehr schwer zu erkennen sind, da selbst die Forscher erst jetzt die Regeln der Nanowelt entdecken. Laut András Lukács könnte man sogar über die Prüfungsmethoden eine Dissertation schreiben. Es dauerte Jahre, bis die Kliniker die Existenz der Nanoröhre zwischen den Zellen akzeptiert haben, weil obwohl sie in den Proben zu sehen waren, waren sie in den lebenden Geweben recht schwierig zu finden.
Frau Edina Szabó-Meleg führt uns in die (scheinbar) bunte Welt der Mitochondrien weiter: im Moment beschäftigen sie sich mit der Bewegung dieser zwischen den Zellen. Diese Forschungsrichtung ist auch weltweit äußerst neu. Die Untersuchung des Zugs der Mitochondrien zwischen den Nervenzellen kann uns zum Verstehen des Verlaufs und hoffentlich zu der Behandlung der gefürchteten neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson. Es deuten nämlich immer mehr Beweise darauf, dass die Schädigung der Nervenzellen durch die Überlieferung von geschädigten Mitochondrien verläuft.
Die Pharmaindustrie hat bereits mit der Anwendung der Nanoröhre begonnen, obwohl sie noch ganz in der Versuchsphase steht. Das Ziel ist, dass die Wirkstoffe, die in sogenannte Nanoperlen eingewickelt werden durch die Nanoröhre in die Zellen eingeführt werden.
Die Innovation des Untersuchungsbereiches wird dadurch auch sehr gut sichtbar, dass es nur wenige Forschungszentren auf der Welt für dieses Thema gibt. Wie der Experte des Themas in Pécs formuliert „an meinen zwei Händen könnte ich aufzählen, wie viele Forschungszentren sich mit Nanoröhre beschäftigen”. Nur an wenigen Orten sind die angemessenen Instrumente vorhanden, wobei aber auch bei der Prüfung der Ergebnisse und bei der Weiterentwicklung des klinischen Hintergrunds ebenfalls sehr wichtig sind.
Nach unserer Exkursion in der Nanowelt erweist sich neben den vielen neuen Fragen als sicher: die neuen physiologischen Phänomene und Prozesse, die durch die überauflösende Lichtmikroskopie erforscht wurden, können zu unabsehbaren Möglichkeiten führen, die grundlegenden Prozessen des Lebens zu verstehen und zur Behandlung von Krankheiten, die heutzutage als unheilbar gelten. Laut einem meiner Begleiter bietet die Überauflösung genug Forschungsmaterial für die kommenden hundert Jahre. Uns Laien bleibt nur übrig uns über die lebendigen Zellen, als abstrakte Gemälde zu staunen.
(Der ursprüngliche Artikel erschien auf hvg.hu.)
web:
Nano-Bio-Imaging Core Facility
Fotos:
Lajos Kalmár Universität Pécs, Medizinische Fakultät